Wahrheit und Schweigepflicht
Erfolg kann man nur dann haben, wenn der Mandant und der Rechtsanwalt zusammenarbeiten. In der Theorie ist dies einfach, in der Praxis aber oft schwer!
Es fängt damit an, dass der Mandant den Rechtsanwalt, der sein Anwalt sein oder werden soll, nicht kennt. Soll er ihm die volle Wahrheit erzählen oder lieber vorsichtig sein und mit der Wahrheit,
wenn sie für ihn negativ ist, zurückhalten? Die Problemlage ist ähnlich wie beim Steuerberater. Hier gibt es solche und solche! Manche Steuerberater sind - jedenfalls in den Augen des Kunden -
schlimmer als das Finanzamt! Anderen kann man vertrauensvoll seine Probleme schildern.
Ich bitte meine Mandanten um absolute Aufrichtigkeit! Ohne wahrheitsgemäße Information kann ein Fall nicht ordentlich bearbeitet werden. Wenn man falsch informiert wird, läuft man als Anwalt, der
seinem Mandanten vertraut, der Gegenseite oft geradezu "ins Messer!". Das Verfahren wird zu einer unberechenbaren Überraschungstour!
Wenn Sie mir den Sachverhalt aus Ihrer Sicht absolut wahrheitsgemäß erzählen, habe ich erst die Möglichkeit, Ihre notwendig subjektive Darstellung objektiv zu prüfen und zu bewerten. In meiner
langjährigen Berufstätigkeit habe ich erfahren:
"Die Wahrheit hat viele Gesichter!"
Dies bedeutet, dass all dasjenige, was aus Ihrer Sicht positiv oder negativ erscheinen mag, in Wirklichkeit auf verschiedene Weise bewertet werden kann, wenn man den gesamten Sachzusammenhang in
Ihrem Interesse bewertet und gewichtet. Natürlich gibt es - im Zivilprozess - eine Wahrheitspflicht. Die Wahrheit setzt sich aber immer aus vielen objektiven und subjektiven Komponenten zusammen, so
dass schon geringe Nuancen in der Zusammensetzung der Komponenten oder ihrer Bewertung einen Fall ganz anders aussehen lassen, ohne dass damit gegen die Wahrheitspflicht verstoßen wird. Es zeichnet
den guten Anwalt aus, dass er sich hierauf versteht.
Gute anwaltliche Arbeit in diesem Sinne erfordert allerdings Zeit. Gerade bei der ersten Erfassung eines Sachverhaltes im Mandantengespräch dürfen beide Seiten nicht mit der Zeit geizen, da jede
Kleinigkeit, jede Nuance oder Beiläufigkeit sich nachher gravierend positiv oder negativ auswirken kann.
Der Rechtsanwalt hat eine Schweigepflicht. Diese nehme ich sehr, sehr ernst! Natürlich geht man auch häufig deshalb zum Anwalt, weil man einen schweren Fehler begangen hat, der auch persönlich selbst
belastend ist. Vertrauen Sie diesen Fehler mir an! Es ist meine Aufgabe, das beste aus dieser Situation zu machen. Vielleicht bewerten Sie auch selbst Ihr Verhalten falsch und halten z.B. eine
lässliche Sünde für eine schwere. Wenn Anwalt und Mandant erfolgreich zusammenarbeiten sollen, muss man zueinander Vertrauen haben!
Die Wahrheitspflicht im Zivilprozess ist eines der schwierigsten Kapitel in der anwaltlichen Tätigkeit: Der gute Anwalt versteht es, die für den eigenen Mandanten günstigen Aspekte der sich aus
vielen Einzelaspekten zusammensetzenden Wahrheit dem Gericht vorzutragen und die anderen - fast - verschwinden zu lassen. Der schlechte Anwalt bringt seine Partei in die Gefahr des Prozessbetruges,
indem er - meinst grob und dumm - falsche Tatsachen vorträgt und lügt. Lügen haben nicht nur "kurze Beine", sondern sind ausgesprochen gefährlich!
Übrigens:
Im Strafverfahren existiert eine Wahrheitspflicht nicht! Ein Angeklagter kann lügen, soviel er will. Das hört sich gut an, ist es aber nicht! Die auf Lügen gestützte Strafverteidigung kann in
Einzelfällen Erfolg haben. Normalerweise ist sie nicht die beste Verteidigung: Man kann durch Lügen die Wirklichkeit nicht verändern! Außerdem erfordert die konsequente Durchhaltung einer
Lügengeschichte eine erhebliche Intelligenz, von der die meisten annehmen, dass sie hierzu in der Lage wären, was aber in Wirklichkeit nicht der Fall ist. Mit der durch Tatsachen belegbaren
"Wahrheit", deren positive Aspekte durch den Verteidiger gestützt werden, fährt es sich in aller Regel am besten!
Also:
Sprechen Sie Ihr Problem offen und ehrlich an! Vertrauen Sie auf die anwaltliche Schweigepflicht! Hören Sie sich an, welche Strategie ich vorschlage. Wenn ich Sie nicht überzeugen kann, suchen Sie
sich direkt oder nach Überlegung einen anderen Anwalt. Natürlich nehme ich Ihnen dies nicht übel!